RP-Online, 05.09.2022, Rheinberg
Da steht ein rotes Klavier neben dem Pferdestall: Rund 80 Zuhörer genossen das Hofkonzert mit jungen Jazz-Musikern. Foto: Uwe Plien
Feinkost-Jazz aus dem Bauernladen
Hofkonzert in Rheinberg
Rheinberg-Pelden Vibe feat. Félix Rossy und als Spezialgast Johannes Bär spielten auf dem Middeldorfhof in Pelden. Nach dem ersten Stück fing es doch tatsächlich an zu regnen, aber dann ging die Sonne wieder auf – auch musikalisch.
Von Uwe Plien
Günter Baby Sommer, eine ostdeutsche Jazz-Legende am Schlagzeug, entspannt sich auf einer Liege. Ein Stückchen weiter sitzt Johannes Bär aus der Steiermark auf einem Aufsitzrasenmäher und bläst seine dicke Tuba ein. Auf dem Bauernhof der Familien Middeldorf in Pelden zwischen Orsoy und Budberg wird die Vokabel „Idylle“ gerade in klangliche Form gebracht. Links und rechts Felder, Bäume und Wiesen, die Sonne scheint. Ein viel schöneres Ambiente für ein Jazz-Konzert kann man sich kaum vorstellen. Es ist das zweite bei Middeldorf nach 2021. Wieder sind der unermüdliche Kultur-Antreiber Rüdiger Eichholtz und sein Verein Kulturprojekte Niederrhein die Macher. Hofkonzerte hat Eichholtz die Events neben Pferde- und Schweineställen genannt. Auch wenn der Kultur-Mann schon lange ein Faible für ausgefallene Locations hat, so sind die Hofkonzerte erst in der Corona-Einöde erfunden worden. Wohin mit spielbereiten Jazzern, wenn einem in geschlossenen Räumen die Viren um die Ohren fliegen? Am besten raus aufs Land.
Gesagt, getan. So wie schon mehrfach bei Familie Prangenberg in Winterswick geht das Konzept auch in Pelden auf, wo der „Prüme Jan“, wie der lange verstorbene Johann Middeldorf genannt wurde, bis in die Mitte der 70er Jahre einen typisch niederrheinischen landwirtschaftlichen Kleinbetrieb führte.
Jetzt eröffneten dort sechs junge Jazzer für einen Abend einen musikalischen Feinkost-Shop. Vibe nennt sich das coole Ensemble, bestehend aus Benedikt Jäckle (Saxophon, Mannheim), Leandro Irarragorri (Piano, Zürich/Köln), Calvin Lennig (Bass, Köln) und Jonas Kaltenbach (Drums, Köln). Das Quartett wird ergänzt um den Trompeter Félix Rossy aus Barcelona und den Österreicher Johannes Bär an Posaune und Tuba.
Rund 80 Zuhörer lassen sich auf den Abend ein, platzieren sich auf Bierzeltbänken und Campingstühlen, lassen gerade das erste kühle Bierchen aufploppen, haben soeben die erste von vielen Jazz-Kompositionen der Abteilung „Erste Sahne“ genossen, da fängt es doch tatsächlich an zu regnen. Schnell sind Schirme aus dem Anhänger besorgt und aufgestellt, noch pladdert das letzte Wasser des kurzen Schauers auf das Flachdach über der Bühne, da kehrt auch schon der Sonnenschein zurück und der Jazz geht weiter.
So kann ein wunderbarer Abend mit wunderbarer Musik in wunderbarem Ambiente beginnen.