KULTURPROJEKTE NIEDERRHEIN E.V. /// FÖRDERUNG REGIONALER VERNETZUNG AM NIEDERRHEIN

SCHON DABEI?

RP, 16.04.2024, Kamp-Lintfort

Gaby Herchert und Autor Feridun Zaimoglu lasen im Wechsel aus beiden Büchern vor. Foto: Awo-Kreisverband

Lebensgeschichten von Einwanderern der ersten Generation

Buchvorstellung und Ausstellung in Kamp-Lintfort

Kamp-Lintfort/Moers · Der Awo-Kreisverband Wesel setzt sich seit drei Jahren mit dem Leben der ersten Gastarbeiter-Generation auseinander. Ergebnis sind ein Film, zwei Bücher und eine Fotoausstellung. So ist die Resonanz auf die Veröffentlichung der berührenden Lebensgeschichten.

Von Peter Gottschlich

„Die Welt war für mich leer, ich habe geweint, als ich am 25. Januar 1970 in Kamp-Lintfort aufgewacht bin. Alles war anders, so fremd und schwierig“, erzählte Emine Karakus. „Es würde den Rahmen sprengen, meine Lebensgeschichte zu erzählen. Heute bin ich stolz, hier sein zu dürfen“, betonte sie im Rahmen von zwei Buchvorstellungen, die die Awo herausgegeben hat. In beiden Büchern und einer Fotoausstellung geht es um „Gastarbeiter“, wie sie in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik genannt wurden. Dabei ist der Schirrhof, der knapp einen Kilometer südlich des großen Lintforter Förderturms liegt, selbst ein Teil der regionalen Bergbau- und Einwanderungsgeschichte, wo einstmals Bergleute ausgebildet wurden.

„Ohne diese Menschen wäre die deutsche Wirtschaft nicht so aus der Asche entstanden“, sagte Baris Ucak, Vorstandsmitglied des Moerser Integrationsrats und Sohn eines der Projektteilnehmenden. „Sie haben geschuftet und gekämpft. Sie stehen auch hinter dem Markennamen „Made in Germany“.“ Den 60. Jahrestag des Anwerbeabkommen, das am 30. Oktober 1961 zwischen der Türkei und der Bundesrepublik unterzeichnet wurde, hatte der Awo-Kreisverband zum Anlass genommen, sich mit der Geschichte der sogenannten Gastarbeiter auseinanderzusetzen. So entstand 2021 ein Film, um ihre Geschichte nachzuzeichnen. Die Mitarbeiter des Awo-Kreisverbandes verfolgten das Thema weiter. Sie führten unter anderem Interviews mit Gastarbeitern der ersten Generation aus der Türkei.


Info
Fotoausstellung läuft noch zwei Wochen
Bücher Die Bücher wurden jeweils mit einer Auflage von 200 Exemplaren gedruckt, sowohl „Ich bin auf einem langen Weg“ und „Namenloser Freund“. Sie können bei Asiye Koc erworben werden, Kontakt unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Herausgeber ist der Awo-Kreisverband Wesel
Fotos Die Protagonisten und Protagonistinnen des Buches „Ich bin auf einem langen Weg – Uzun ince bir yodayim“ wurden von der Moerser Fotografin Andrea Zmrzlak fotografiert. Die großformatigen Bilder werden noch etwa zwei Wochen im Saal des Schirrhofs während der Öffnungszeiten zu sehen sein.


Viele hatten sich in Moers, Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort niedergelassen, um im Bergbau zu arbeiten, der neben der Autoindustrie einer der Industriezweige war, der florierte und auf Arbeitskräfte angewiesen war. „Es war schwierig, Interviewpartner zu finden, weil viele Gastarbeiter aus der ersten Generation schwer krank oder schon verstorben sind“, sagte Asiye Koc, die für den Awo-Kreisverband das Vorhaben begleitete und die Veranstaltung am Sonntagabend moderierte.

Mit 21 Personen wurden Interviews geführt. Die bewegten Lebensgeschichten sind jetzt im Buch „Ich bin auf einem langen Weg – Uzun ince bir yoldyim“ zu finden. Wissenschaftlich begleitet wurde das Buchprojekt von Gaby Herchert, Professorin an der Universität Duisburg-Essen, von der ein Vorwort geschrieben und am Sonntagabend einige Buchpassagen vorgetragen wurden. Die Moerser Fotografin Andrea Zmrzlak hielt die Protagonistinnen und Protagonisten auf Bildern fest, um zu zeigen, wie sie in das gesellschaftliche Leben eingebunden waren, zum Beispiel wenn sie das Fußballtraining von Jugendlichen unterstützen.

Aufbauend auf den Interviews, verfasste Feridun Zaimoglu kurze Geschichten, die jetzt im Buch „Namenloser Freund“ nachzulesen sind. Er ist preisgekrönter Autor aus Kiel, trug am Sonntagabend einige dieser Geschichte vor. Diese Projekte des Awo-Kreisverbands wurden von mehreren Stellen unterstützt. So wurden sie von der Lotterie Glücksspirale und vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert. In die Veranstaltung brachten sich der Verein Kulturprojekte Niederrhein und die Fachstelle für Demokratie der Stadt Moers, die Stadt Kamp-Lintfort und die DITIB-Gemeinde aus Kamp-Lintfort ein. So kam auch Prominenz zur Buchvorstellung, wie Michael Groß als ehrenamtlicher Vorsitzender des Awo-Bundesverbandes und der Moerser Bundestagabgeordnete Jan Dieren. „Sie sind eine Bereicherung für unsere Stadtteile und unsere Gesellschaft“, sagte Groß, um mit Blick auf den neuen Konflikt in Israel zu ergänzen: „Wir wollen friedlich miteinander leben, mit Toleranz eine Zukunft haben, die lebenswert ist.“ Eine bewegende Ansprache hatte vor ihm Ibrahim Yetim gehalten. Der ehrenamtliche Präsident des Awo- Kreisverbandes Wesel stammt selbst aus einer „Gastarbeiter“-Familie.





KONTAKT
Kulturprojekte Niederrhein
Rüdiger Eichholtz
Ackerstraße 175
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