RP Online, 13.12.2021, Duisburg
Einige der beteiligten Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte des (un)sichtbaren Kunst-Parcours vor dem Quartiersbüro „High Field“: Im Vordergrund links am Tisch sitzend der Projektleiter Max Bilitza sowie dahinterstehend Rüdiger Eichholtz vom Projektträger Kulturprojekte Niederrhein. Foto: Olaf Reifegerste
Kunst als Katalysator für Stadtentwicklung / Projekt in Duisburg-Hochfeld
Duisburg In Duisburg-Hochfeld ist jetzt ein Kunst-Parcours installiert worden. Was es mit dem Projekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ auf sich hat.
Von Olaf Reifegerste
Unter der kuratorischen Leitung von Max Bilitza ist dieser Tage mit Künstlerinnen und Künstlern aus Duisburg und Umgebung sowie Schülerinnen und Schülern des Duisburger Mercator-Gymnasiums im Rahmen des Jugend-Kunst-Aktionsraumes „High Field“ ein (un)sichtbarer Kunst-Parcours im Stadtteil Hochfeld an den Start gegangen. Die Neugier und das öffentliche Interesse an der digitalen Ausstellung „Ich sehe was, was du nicht siehst“ ist groß.
Es war Mittwoch vor einer Woche, rund um den Brückenplatz: Eine Traube von Schülerinnen und Schülern versammelte sich mit ihren Lehrerinnen und Lehrern aus dem Mercator-Gymnasium sowie dem Projektleiter und dem Projektträger von „High Field“, Max Bilitza und Rüdiger Eichholtz, plus der Künstlerin Emelyn Yabar Tito vor dem Quartiersbüro auf der Hochfeldstraße 2. Mit dabei waren auch der Stadtteilmanager Duisburg-Hochfeld, Reinhard Schmidt, und Alicia Ulfik von der „Jungen Triennale“ der Ruhrtriennale. Getrennt in zwei Gruppen machten sich alle anschließend auf, um zwölf Stationen eines neu hergerichteten Kunst-Parcours in Hochfeld mit dem Titel „Ich sehe was, was du nicht siehst“ zu entdecken.
INFO
Kulturprojekte Niederrhein
Teilnehmer Beteiligte am Kunst-Parcours sind neben den Schülerinnen und Schülern aus den der Klassen 6c, 7a und 7c, 8a sowie dem Projektkurs „Kunst Urban“ und dem Literaturkurs „Q1“ des Mercator-Gymnasiums aus der Schule und der Kunstszene Thorsten Allekotte, Sascha Bauer, Max Bilitza, Rüdiger Eichholtz, Lina Fastabend, Christian Finzel, Ann-Kathrin Fleurkens, Thomas Fligge, Jens Krohn, Maliq Möbius, Emelyn Yabar Tito und Tobias Wagner.
Förderer „High Field“ ist ein Projekt des Vereins Kulturprojekte Niederrhein in enger Abstimmung mit der Schul-Kultur-Kontakt-Stelle (Amt für Schulische Bildung) der Stadt Duisburg und wird unterstützt von der Entwicklungsgesellschaft EG-DU Duisburg-Hochfeld und den Hochfelder Schulen. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Doch auch die „Junge Triennale“ der Ruhrtriennale und neuerdings der Initiativkreis Ruhr sind in unterschiedlicher Mission mit von der Partie und am Projekt beteiligt.
Inspiriert durch das gleichnamige Kinderspiel haben sich nach den diesjährigen Herbstferien rund 150 Schülerinnen und Schüler der besagten Schule, teils in ihren Klassenverbänden, teils in Projektkursen, künstlerisch mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft ihres Stadtteils auseinandergesetzt. Gemeinsam mit den zuständigen Lehrkräften und verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern schufen sie einen (un)sichtbaren Kunst-Parcours via QR-Code entlang einer festgelegten etwa 20-minütigen Route durch den Stadtteil. Nicht ganz unbeabsichtigt kommentieren die nunmehr entstandenen Kunstwerke der jungen Menschen auf diese Weise die Visionen der offiziellen Stadtplaner der Duisburger Stadtverwaltung, das Quartier in ein „Vorzeigeviertel im Ruhrgebiet“ zu verwandeln.
Was zum Erkunden der Ausstellung benötigt wird, ist einzig ein Smartphone. Denn an den einzelnen Stationen, an denen dann die Kunst sicht- und hörbar wird, hängt – ob an einer Straßenlaterne, einer Häuserwand oder einem Straßenschild – in der Regel nur ein kleiner Holzrahmen mit einem QR-Code drin. Allein über diesen erfahren die Besucherinnen und Besucher den Inhalt der dortigen Information und bekommen Auskunft über das jeweilige Kunstgenre und Kunstwerk an diesem Ort. Mit dabei sind Foto- und Videoinstallationen, Skulptur und Malerei, Poetry Slam und Rap, Hörspiel und Sound-Storys.
Die zwölf Stationsorte liegen an der Hochfeldstraße, der Bach- und Brückenstraße, der Eigen- und Wanheimer Straße sowie auf dem Brückenplatz. Manche Stationen tragen Namen wie „Poesie der Straße“ oder „Wald der Toten“ oder „Wunschinsel“. Letztere zum Beispiel stellt den Brückenplatz als absurde sommerliche Erholungsoase dar. „Die ‚Wunschinsel‘ ist ein Widerspruch zur eigentlichen Zeit. Sie lädt den Betrachter zum Verweilen und träumen ein. Die Installation besetzt den öffentlichen Raum und spiegelt den Wunsch wieder, für einen Moment woanders zu sein“, heißt es als Erläuterung.
Der „Wald der Toten“ dagegen ist ein Sechs-Minuten-Hörspiel. Dazu steht als Text: „Der Wald symbolisiert die Großstadt. Der Geist der Zeit ist im Großstadtdickicht verschwunden. Die Erzählfiguren jagen dem (Zeit)geist hinterher und übertragen ihre Impressionen in ein fantasievolles Grusel-Szenario.“ Von der „Poesie der Straße“ gibt es gleich zwei Stationen: Entstanden sind diese im Rahmen einer Poetry Slam-Schreibwerkstatt, in der sich die Schülerinnen und Schüler als Vortragende ihres Textes mit dem lyrischen Ich auseinandersetzten und sich in die Rolle von Objekten, Fundstücken, Sperrmüll und Gebäuden in Duisburg-Hochfeld versetzten. Im Begleittext dazu heißt es: „Wie denkt eine Ampel über ihren Arbeitgeber, die Stadt Duisburg? Welche Vision hat ein Geldschein, der täglich den Besitzer wechselt? Was für Gedanken hat ein altes Sofa, das seine ehemaligen Besitzer auf die Straße gestellt haben?“
Ursprünglich sollte die Finissage des Kunst-Parcours am 31. Dezember zugleich auch das Ende des Projektes „High Field“ einläuten. Doch es bestehe die begründete Hoffnung, dass der Projektraum unter der Leitung von Max Bilitza darüber hinaus für weitere acht Monate weiterbestehen könne, sagen die Verantwortlichen. „Hochfeld ist ein schillernder, verwirrender Stadtteil, der in den Köpfen der Menschen schneller Gestalt annimmt, als vor dem bloßen Auge. Vision kommt bekanntlich vor Realität. Und dabei spielt die Kunst als Katalysator für Stadtentwicklung eine enorm wichtige Rolle“, betont Kurator Max Bilitza.